Tohoku University (November 2007)
Interview Archive
Interview mit Hirohiko Araki, welches in Eureka am 26. November 2007 veröffentlicht wurde.
Interview
Gesamtbericht ☆ Hirohiko Araki
Die bizzare Liebe von Männern?!
Die Paralleluniversen von JoJo's Bizarre Adventure
Hirohiko Araki[a]
Tamaki Saitō[b]
Junko Kaneda[1][c]
Saitō: Wir haben uns lange nicht gesehen[d]. Es ist zehn Jahre her, seitdem wir uns das erste Mal zu der April 1997 Eureka [2] Sonderausgabe 'J-Comic Feature '97' getroffen haben.
Araki: Ich bin Ihnen sehr dankbar, weil ich denke, dass es dem damligen Interview zu verdanken ist, dass diese Sonderausgabe zusammengestellt wurde.
Saitō: Nichtsdestotrotz haben Sie sich, verglichen mit damals, kein bisschen verändert. Ich bin nur sehr erstaunt, dass sie eher jünger aussehen (lacht). Wie zu erwarten von einem Hamon-Nutzer, oder sollte ich lieber sagen, von einem Vampir oder einem Klon… (lacht).
Araki: Naja, aber das Alter schreitet ja stetig voran. Man ließ mich jetzt unter anderem auf eine monatliche Herausgabe umsteigen, weil eine wöchentliche Veröffentlichung quantitativ nach und nach schwieriger wurde.
Saitō: Als wir uns das letzte Mal trafen, war genau das 10. Jubiläum von Jojo’s Bizarre Adventure“, und da Sie von dort aus fortwährend weitergemacht haben, heißen wir jetzt das 20. Jubiläum mit Steel Ball Run (im Folgenden SBR) willkommen, das in Ultra Jump in Folge veröffentlicht wird, da Sie noch immer neue Darstellungs- und Geschichtsbereiche erschließen. Obwohl es etwas spät kommt, freue ich mich immens, dass zu dieser Gelegenheit schließlich eine Sonderausgabe des Magazins zusammengestellt wurde. Wenn man von Ihren jüngsten Aktivitäten spricht, hat man das Gefühl, dass Sie dieses Jahr oft die Gelegenheit haben, bei Vortragsveranstaltungen und Ähnlichem zu sprechen; gibt es dahinter eine Intention?
Araki: Das stimmt. Weil wir unter einem Exklusivvertrag mit Shūeisha zeichnen, hatte ich immer das Gefühl, dass es so scheint, als ob wir Mangaka irgendwie nur für uns selbst arbeiten, und als ich ungefähr 40 Jahre alt wurde, habe ich mich auf einmal gefragt, ob ich nicht sowas wie einen Beitrag zur Gesellschaft leisten sollte. Es kam dazu, dass ich dachte, dass es gut wäre mit jungen Mittelschülern und so weiter zu sprechen. Obwohl ich grundlegend, genauso wie auch andere Mangaka, nicht gut in solchen Dingen bin. Weshalb ich wahrscheinlich Mangaka geworden bin. Deshalb ist es häufig so, dass ich in einer Woche normalerweise wirklich nur 5 Leute treffe (lacht).
Saitō: In der Tat halten Mangaka selten Vorträge, auch wenn sie recht bekannt sind, nicht? Jedoch scheinen die Vorträge von Ihnen, soweit man von einigen Reaktion im Internet und so weiter sieht, ziemlich beliebt zu sein und man erhielt den Eindruck, dass Sie Ihre Haltung als Künstler offenherzig kommunizieren.
Araki: Ich denke, dass sowas wichtig ist. Etwa seit letztem Jahr gab es mehr und mehr solcher Gelegenheiten. Obwohl ich noch immer schlecht darin bin.
Saitō: Aber es hat den Anschein, dass Sie sehr viel Gelächter ernten.
Araki: Nein, so ist das nicht (lacht).
Saitō: Ich denke, dass die Art Ihrer Beliebtheit unglaublich interessant ist. Schließlich waren Sie natürlich auch schon vor 10 Jahren sehr beliebt, aber Sie in einem Magazin wie Eureka aufzugreifen war fast undenkbar, oder vielleicht war es deshalb in gewisser Weise beabsichtigt Sie einzuladen, denn zu der Zeit unseres vorherigen Gesprächs hatten Sie es vermutlich nicht leicht, im Kontext der behandelten Manga-Kultur wie der von Eureka aufzutreten. Aber während 10 Jahre vergingen, kam es zu dem Punkt, dass von sich aus so eine Sonderausgabe zusammengestellt wurde. Spüren Sie selbst als Künstler etwas von dieser Veränderung der Umstände?
Araki: Schließlich hat „Eureka“ das Image, sich mit den esoterischen Welten von David Lynch und dergleichen, dem Künstlerischem, zu befassen, nicht wahr? Wenn es um meine Kunstbilder geht, gab es zwar zu der Zeit meines Debüts wie zu erwarten erfahrene Mangaka, aber ich wäre von der Redaktion schrecklich gescholten worden, wenn ich ihnen ähnelnde Werke gezeichnet hätte. Deshalb entfernte ich mich mit Absicht von ihren Werken, obgleich ich meine Senioren respektiere. Obwohl ich mich frage, ob ich mich nicht zu weit entfernt hatte (lacht). Ich hatte die Einstellung, in Nischen-ähnliche Bereiche vordringen zu wollen, welche sonst niemand macht. Als ich das tat, bekam ich unweigerlich das Gefühl, dass jetzt irgendwie die Leute aus den Fünfzigern oder den Sechzigern auf mich herabsehen, oder vielleicht eher, nicht anerkennen (lacht). Aber andererseits, als ich auch das nach alledem jahrelang machte und älter wurde, sagten mir die jungen Leser, die jetzigen Mittel- und Oberschüler, dass sie das gut finden. Daher denke ich zwar, dass ich ein wenig mit dem „Eureka“-ischen in Berührung komme, indem ich meine Senioren respektiere, selbst wenn ich ihre guten Seiten nicht direkt geerbt habe, aber was meinen Sie?
Saitō: Ich denke so ist es. Aber in letzter Zeit kommen tatsächlich junge Bestsellerautoren wie Herr Nisio Isin und Herr Otsuichi heraus, die ihren „Respekt vor Araki“ zum Ausdruck bringen, nicht wahr?
Araki: In Verbindung mit der Romanisierung von Part 4 habe ich letztens mit Herrn Otsuichi geredet, der diese schreibt, und er sagte er hat „JoJo“ etwa zur Grundschulzeit gelesen. Ich dachte mir: „Was, das ist schon so lange her?“. Weil ich nicht viele Möglichkeiten hatte, mich mit erfahrenen Autoren zu unterhalten, versuche ich möglichst mit den jungen Autoren zu reden, welche mir sagen, dass sie meine Manga mögen und gelesen haben, falls sich die Gelegenheit bietet.
Saitō: Ich verstehe. Aber es ist ein seltsames Gefühl, dass das von der älteren Generation nicht anerkannt wird.
Araki: Ich denke, dass das genauso wie vorhin erwähnt an der Prägung liegt, dass man nicht den Vorgängern komplett gleichende Manga zeichnet. Außerdem sehe ich mir gerne Bilder an, und noch immer werden Künstler mit neuen Maltechniken geschätzt, auch wenn die Bilder seltsam sind, nicht wahr? Danach frage ich mich, ob das wohl der Fall ist.
Saitō: Da sie sich Bilder der Renaissance-Epoche zum Ideal gemacht haben, zeichnen sie Bilder in gewisser Weise eher grundlegend getreu dem Hauptweg der Kunst, ist es nicht so?
Araki: Ich schätze, dass es so etwas wie eine „Neo-Renaissance“ oder „Neo-Gotik“ ist.
Saitō: Währenddessen haben Mangaka seit Tezuka Osamu einen Zeichenkomplex, nicht wahr? Sie denken, dass sie Bilder ordentlich zeichnen müssen. Ist es dann nicht so, dass Sie daraus folgend wegen Ihrem zeichnerischen Können gemieden werden?
Araki: Das frage ich mich auch. Es scheint irgendetwas Einschüchterndes zu geben. Wie, als würde jemand ein Buch nach seinem Einband beurteilt. Von Fans und Mangaka scheint auch oft gesagt zu werden: „Zuerst dachte ich:“ Was? Dieser Manga ist abstoßend!“, aber dann…“ (lacht) waren sie doch froh, wenn sie ihn gelesen haben.
Saitō: Ich denke, dass er sicherlich einen ausgeprägten Eigengeschmack hat, aber zu sagen, er sei „abstoßend“, ist eine etwas unerwartete Reaktion.
Araki: Herr Otsuichi sagte zum Beispiel, dass er in dem Moment an JoJo Gefallen gefunden hat, als er sah, wie ein gegnerischer Charakter mit finsterem Gelächter in ein Lüftungsloch stieg (lacht)! Deshalb habe ich solche Leute von Anfang an akzeptiert (lacht). Ich habe das Gefühl, dass man die Leute, denen so etwas gefällt, und solche, die sagen: „Was ist das?“ und ihn schon nicht mehr lesen, klar in Zwei aufteilen kann.
Saitō: Mit wem aus der älteren Generation würden sie unbedingt versuchen sprechen zu wollen?
Araki: Um die Zeit meines Debüts dachte ich, dass es schön wäre, wenn man noch immer erkennt was für ein Manga gelesen wird, wenn man im Zug etwa 10 Meter voneinander entfernt sitzt und sieht, dass jemand ihn liest. Das ist, was man die Charakteristika eines Bildes, Designfähigkeit, und so weiter nennt. Je simpler es ist, desto besser. In diesem Sinne war zu der Zeit Herr Kurumada Masami großartig, nicht wahr? Diese Bilder und Geschichten, die bis zum Äußersten simplifiziert wurden, sind die besten, und ich möchte versuchen, mit ihm darüber zu sprechen.
Saitō: Aber sind Ihre Bilder nicht auch aus 10 Meter Entfernung zu erkennen?
Araki: Damals war Shōnen Jump hervorragend, und es gab nur solche Bilder! Deshalb dachte ich, dass sie so sein müssten. Aber etwa bis zu JoJo wusste ich überhaupt nicht, wie man das macht. Ich gab mein Debüt und zeichnete ein paar Werke, aber ich würde sagen, dass die Richtung, oder eher die Essenz, nicht festgelegt war. Dann, als ich die italienischen Gemälde aus der Renaissance-Zeit sah, fragte ich mich, ob es gut wäre, diese in einem ein wenig moderneren Stil zu gestalten. Das hat mir Spaß gemacht. Die Körper zu verdrehen, und das Zeichnen der daraus entstandenen Kurven, macht Spaß und gefällt mir (lacht).
Saitō: Mir gefallen diese Verdrehungs-Zustände auch sehr. Bei dem neusten Werk SBR ist das zum Beispiel auch so, allerdings werden die Komposition und Posen immer komplexer. Wenn man die Panels nur schnell überfliegt, gibt es auch Stellen, an denen man nicht versteht, was gerade passiert (lacht).
Araki: Obwohl ich versuche, sie möglichst leicht verständlich zu machen.
Nichts als "Lügen" im Gehirn
Saitō: Frau Kaneda ist, mehr noch als eine talentierte Soziologin, begeisterte Manga-Leserin, von denen sie besonders JoJo und Herrn Araki sehr gerne hat! So habe ich sie herberufen, um über Araki’s Welt von der Perspektive weiblicher Leserinnen aus zu sprechen, aber JoJo wird auch von Frau Kaneda seit langem gründlich gelesen, ist es nicht so?
Kaneda: So ist es. Etwa von meiner Grundschulzeit an war ich ein Jump-Fan, und meine erste Begegnung mit JoJo war bei einem Freund zu Hause während wir Jump lasen, genau dann als Meister Dio als Vampir dabei war, über Windknights’s Lot zu herrschen (lacht). Er sagte sowas wie: „Hmm, lass mich eins klarstellen, Misses…“[3], und diese eigenartige Theatralik, die es sonst in keinem anderen Manga gibt, war unter meinen Freunden unter anderem sehr beliebt (lacht). Mein erster Eindruck war, dass es ein gruseliger Manga ist. Wie zu erwarten war ich an die Bilder von Shōjo-Manga und dergleichen gewöhnt, weshalb die Bilder selbst gruselig waren. Aber er war interessant und ich laß immer weiter, und ungefähr zu der Zeit, als ich Studentin wurde, bestanden die Gespräche aller schon so sehr aus JoJo, dass sie zum Beispiel sowas taten wie die Reißverschlüsse ihrer Taschen mit dem Ausruf „Sticky Fingers!“ zu öffnen (lacht).
Saitō: So ist also diese Generation (lacht). Ich würde sagen, ich bin neidisch…
Kaneda: Das ist die „JoJo-Volltreffer-Generation“, welche JoJo anfing, als sie etwa als Mittelschüler am allermeisten von Jump abhängig wurde, nicht wahr? Es war ziemlich einmalig für das Jump dieser Zeit, dass die erste Ausgabe plötzlich mit einer britischen Geschichte anfängt.
Araki: Es war eine Super-Einmaligkeit (lacht). Mir wurde gesagt, dass ich aufhören soll, sowohl Ausländer zu meinen Hauptfiguren zu machen als auch meine Geschichten in fremden Ländern zu spielen.
Kaneda: Aber sie haben einen Eindruck hinterlassen, weil zu der Zeit andere Manga nur von kämpfenden und Sport treibenden Mittelschülern handelten oder nichts als Unterhaltungs-Manga waren. Selbst für Kinderherzen war der Duft Großbritanniens des 19. und 20. Jahrhunderts riechbar, und ich glaube, davon wurde ich auch angezogen, weil Mädchen diese Art von klassischer Atmosphäre sehr mögen.
Araki: Wie ich vorhin auch sagte, waren es damals die redaktionellen Richtlinien von Jump, oder eher die Meinung des verantwortlichen Verlagsektors, das zu tun, was die vorherigen Mangaka nicht taten. Wenn ich zum Beispiel Horror zeichne, muss er sich von dem Horror von Herrn Umezo Kazuo unterscheiden, obwohl ich diesen sehr mag. Naja, da dachte ich daran, dass es sowas wie Dracula oder den westlichen Roman-ähnlichen Horror gab.
Kaneda: Wenn wir von Horror sprechen, ist es unheimlich, dass man die Fähigkeiten von Stands der Gegner in zum Beispiel Part 3 und 4 nicht kennt! Besonders, wenn man die Fähigkeit von Dios „The World“ zunächst nicht kennt, und Polnareff, während er vor Angst zittert, sagt: „Ich sage es euch, genau wie es ist“[4], oder? Inzwischen ist die Szene berühmt geworden, aber als ich sie zum ersten Mal sah, war sie wirklich unheimlich. Schließlich ist das Zeigen des Unheimlichen an sich nicht gruselig, sondern der Anblick der Leute, die das Unheimliche sehen und sich davor fürchten. Der immer herumblödelnde Polnareff zittert vor Furcht, sowas. Und als Nukesaku den Sarg öffnet und sich selbst darin befand, war das auch im „The World“-Stil gruselig, oder?
Araki: Weil ich ausschließlich über diese Dinge nachgedacht habe (lacht). Es gibt jetzt eine sogenannte Computer-Wahrsage, welche einem sagt, was im Gehirn vorgeht, wenn man seinen Namen eingibt, ist es nicht so?
Saitō: Der "Brain-Maker"[e].
Araki: Als ich das versucht habe, kam nichts als „Lügen“ dabei raus (lacht). Aber es stimmt, dass ich immer versuche herauszufinden, wie man Lügen auf irgendeine Weise wahr erscheinen lassen kann. Obwohl ich denke, dass es auch schön wäre, wenn etwas Gutes dabei herauskommt (lacht). Sowas wie „Freund“.
Saitō: Aber das enttäuscht nicht die Erwartungen aller, oder besser gesagt, ist es als Gedankenspiel interessant, dass „Araki Hirohiko wie zu erwarten voller Lügen“ ist. Wäre es auf seine Weise nicht zu viel des Guten, wenn direkt in der Mitte sowas wie „Liebe“ stünde (lacht)?
Araki: Aber was die Zeit betrifft, als ich zum ersten Mal über Stands nachdachte, so sagte selbst mein Verlagslektor, der mir als einziger zu der Zeit mit „Das ist eine gute Idee“ antwortete, als ich sagte, dass ich JoJo zu einer Dracula-ähnliche Geschichte machen will, während alle dagegen waren, dass er Stands nicht verstehe. Deshalb ging es bei Part 3 darum, wie man den Leuten Stands verständlich machen konnte. Ich wollte etwas Realistischeres, mit einer Atmosphäre, als könnte man Fingerspitzen abschneiden, und nicht wie die übliche Darstellung von übernatürlichen Kräften, bei denen Dinge im Handumdrehen zerspringen, nur indem man es sich wünscht.
Kaneda: Ich habe immer gedacht, dass das ein wahnsinnig guter Punkt ist, von meiner Einschätzung als Kind bis ins Erwachsenenalter!
Araki: Aber es gab wirklich viele Leute, die sagten, dass sie Stands nicht verstanden haben.
Kaneda: Das sind 90 Prozent der Freuden am Leben, die wegfallen, nicht (lacht)?
Araki: Aber weil ich von Hamon in Part 2 plötzlich zu Stands übergegangen bin, gab es viele Reaktionen in der Art von „Was ist das denn?“, und ich machte mir Sorgen, dass ich in eine gefährliche Welt hineingestürzt bin.
Kaneda: Aber auch für Hamon gab es immer eine wissenschaftliche Erklärung, was ebenfalls wahnsinnig interessant war, nicht wahr?
Araki: Obwohl es Pseudowissenschaft ist (lacht).
Kaneda: Aber ist es nicht besser, eine Erklärung zu haben? Das zur gleichen Zeit produzierte Sakigake!! Otokojuku war auch genauso inszeniert, als ob es in Echt existiere, durch das Heranziehen von Büchern von Minmei Shobō[f]. In JoJo war ich zum Beispiel schwer überrascht, als ein Frosch mit dem Soundeffekt „Memetaa“[5] geschlagen wird, aber nur der Felsen darunter zerbricht (lacht). Oder bei sowas wie „Schmerzen mit Hamon lindern“.
Araki: Das freut mich! Sie haben perfekt erkannt, was ich zu der Zeit abzielte zu zeichnen.
Stand-ähnliche Leute
Kaneda: Weiterhin gefallen mir, mehr als alles andere, die coolen Gestalten der Stands. Deswegen habe ich sehr viel Spaß an dem Gedanken, was für einen Stand diese Person wohl haben wird, wenn ein neuer Charakter auftritt, und in der Situation, dass ein Stand zuerst zum Vorschein kommt, freue ich mich darauf zu sehen, wer der Nutzer ist. Um von dem Grundprinzip der Stands zu sprechen, ist es so, dass man unweigerlich sofort über sowas wie „Was wäre mein Stand?“ nachdenkt, wenn sie einem einmal in den Kopf kommen, und bei Kinnikuman gibt es auch so eine Mitmachaktion wie „Meine Idee eines Superhelden“. Es ist auch interessant, in einem solchen Stil über sich selbst nachdenken zu können, nicht wahr?
Saitō: Diese Gestalten sind wirklich hervorragend. Normalerweise tendieren Mangaka beim Zeichnen von ungewöhnlichen Formen in der Regel dazu, eine Grammatik der „Missgestaltisierung“ zu verwenden, welche mehr Entstellungen und Gebrechen beinhaltet, aber Ihre Stands sind allesamt autonom und ich habe das Gefühl, dass sie eine vitale Lebenskraft besitzen.
Araki: Mir wird oft gesagt: „Bitte denke hierüber nach“ (lacht)! Das wurde mir auch von Shoko-tan gesagt. „Was, du denkst hier nicht drüber nach?!“, sagte sie (lacht).
Kaneda: Das klingt wie Shoko-tan. Bei Shoko-tan scheint man das Gefühl zu haben, dass sie die Aussage „Jōtarō ist meine Ehefrau“ ausstrahlt, ist es nicht so?
Araki: Das stimmt (lacht). Dass ein Charakter so sehr geliebt wird, ist schön zu sehen!
Kaneda: Und dann sagt sie sowas wie, dass sie, wenn sie Jōtarō auf den Pelz rückt, „Hör auf zu gackern!“ von ihm gesagt bekommen und verprügelt werden will (lacht)! Sie ist eine wirklich erstaunliche Person…. Übrigens, was mich betrifft, würde ich lieber Rohan heiraten wollen (lacht).
Saitō: Jōtarō und Rohan sind in der sogenannten Tsundere-Kategorie, nicht?
Araki: Stürzt nicht irgendwie jeder in eine gefährliche Welt, in der sich das alltägliche Leben und Stands überlappen (lacht)? Dass die reale Welt und der Charakter von Shoko-tan kurz davor sind sich zu verbinden, ist irgendwie Stand-ähnlich, denke ich.
Saitō: Sie lebt gleichzeitig in der Realität und in dem Charakter „Shoko-tan“, nicht wahr? Oder besser gesagt, die Verbindung ist wohl eher, dass Nakagawa Shōko dem Nutzer entspricht, und Shoko-tan der Stand ist.
Kaneda: Ein Stand mit rechtschaffener Form. Mit einer Ausdauer auf dem A-Rang (herausragend), scheint es (lacht).
Saitō: Aber im Ernst, in Echt wären Stands auch nützlich, und das auf sehr kreative Art, nicht wahr? Es gibt eine E-Mail-Software namens „PostPet“, die der Medienkünstler Hachiya Kazuhiko entwickelte, in dem sich beispielsweise ein pinker Bär namens Momo großer Beliebtheit erfreut, aber es scheint so, als ob er die Idee von Shigechis Harvest bekommen hat!
Araki: Ist das so? Das ist ja interessant. Die Idee für Harvest ist mir eingefallen, als ich die Coupons von Plattenläden gesammelt habe. Man kriegt unter anderem CDs, wenn man sie sammelt, ist es nicht so? Sie müssten irgendwo in der Gegend runterfallen, deshalb dachte ich, dass es schön wäre, wenn es Wichte gäbe, die sie für mich einsammeln (lacht).
Kaneda: Eine total alltägliche Geschichte (lacht). Aber wenn ich mit Leuten rede, und es um die Frage geht, welche Stands wir haben wollen, sagt jeder schließlich, dass Star Platinum für das alltäglichen Leben nicht nützlich sei und sie deswegen Harvest wählen. Dass der Stand aus den materialistischen Begierden von Herrn Araki Hirohiko geboren wurde...er gefällt mir immer mehr (lacht). Aber wenn man darüber nachdenkt, dass ein einfacher, belangloser Stand unerwarteterweise auch starke Seiten hat, hat das wieder seinen Charme, nicht wahr? Er verwandelte die Kombination aus Jōsuke und Okuyasu in Gegner und es entwickelte sich ein ebenbürtiger Kampf.
Araki: Das war ja die erste Idee hinter den Stands. Es ging darum, wie man einen auf den ersten Blick schwach gedachten Menschen stärker macht.
Kaneda: Während man sich fragt, ob diese Fähigkeiten nicht bedeutungslos sind, integrieren Sie sie in einen gewandten Kampf, nicht wahr?
Araki: Auch haben die Antagonisten alle eine positive Einstellung.
Kaneda: Ich mag ja auch beispielsweise Kira Yoshikage sehr gerne, der trotz seines Daseins als Serienmörder ungewöhnlich optimistisch ist.
Araki: Ich entschied mich, ihn eine positive Einstellung haben zu lassen. Wenn er nicht optimistisch wäre, würde die Story unweigerlich auseinanderfallen...und das gilt auch für Shōnen-Manga. Ich wollte wirklich auch die bemitleidenswerten Seiten von Kira Yoshikage darstellen, aber wenn ich das gezeichnet hätte, wäre die Geschichte zu düster, und er wäre so zu keinem Antagonisten geworden, nicht wahr?
Kaneda: Ich wurde von seiner positiven Einstellung angezogen, als Kira Yoshikage sagt: „Obwohl es in meiner „Natur“ liegt, nicht anders zu können, als andere Menschen zu töten…werde ich bis ans Ende ein glückliches Leben führen!“[6]. Weil auch ich einige schlechte Eigenschaften habe. Deshalb ist es auch ein wenig traurig, dass Kira Yoshikage besiegt wurde.
Araki: Naja, weil er ein böser Mensch ist. Es wäre ein wenig übel, wenn man ihn überleben lässt. Wo wir gerade darüber sprechen, Otsuichi hat auch gesagt, dass er von Kira Yoshikage gerettet wurde (lacht).
Kaneda: Es scheint, als hätte Herr Otsuichi auch viele dunkle Eigenschaften (lacht). Ich freue mich auf die Romanfassung.
Araki: Sie ist eine wunderbare Leistung.
Kaneda: Ist das so?! Ich habe gehört, dass sie am 26. November herauskommt, aber an dem Tag ist auch mein Geburtstag, weswegen ich mir eigenmächtig vorgestellt habe, dass es ein Geburtstagsgeschenk von Ihnen und Herrn Otsuichi ist (lacht).
Araki: Naja, dann schicke ich sie Ihnen!
Kaneda: Wirklich?! Warum sind sie so supernett, obwohl sie so berühmt sind (lacht)?
Araki: Weiß ich nicht (lacht). Ich denke, weil ich von meinen Vorgesetzten tyrannisiert werde (lacht).
Kaneda: War Herr Koseki Kōji dermaßen streng?
Araki: War er (lacht). Alle Mangaka, die über mir stehen, sind furchteinflößend!
Saitō: Was ist mit Herrn Akimoto Osamu?
Araki: Herr Akimoto Osamu ist freundlich! Weil ich seinem Beispiel in allem, wie seiner Arbeitsweise, folge. Unter anderem verpasst er auf keinen Fall seine Deadlines, nimmt sich zwei freie Tage die Woche, und geht auf jede Party.
Kaneda: Es ist ein Wunder, wie Sie sowas schaffen! Ich kann es nur als eine übermenschliche Leistung ansehen, dass Bilder solcher Dichte in exakt 5 Tagen fertiggestellt werden. Tragen Sie tatsächlich ihre Volltonfärbungen auf, indem sie sowas machen wie eine flinke Spritztechnik mit dem Pinsel zu verwenden (lacht)?
Araki: So würde ich das nicht sagen (lacht). Ich mache das ganz normal. Durchaus ist Kishibe Rohan als Mangaka für mich nur eine Vorbildsfigur, und ich würde in Verlegenheit geraten, wenn man denkt, ich sei wie er.
Kaneda: Aber genau wie Rohan sammeln sie allerlei Recherchematerialien, nicht wahr?
Araki: Das ist richtig. Der Standort der Protagonisten ist wichtig für mich. In SBR und Stone Ocean sind viele Landkarten vorgekommen, wobei ich mir einpräge, wo sich meine Charaktere auf der Erde in Bezug auf den nördlichen Breitengrad und dem östlichen Längengrad befinden. Und es ist unter anderem wichtig, in welche Richtung sie sich richten, wenn sie sprechen.
Kaneda: Es scheint so, als würden Sie zuerst einen Plan der Landkarten und Grundrisse der Häuser zeichnen, wenn sie Ihre Werke illustrieren, oder?
Araki: Richtig. Ich will im Voraus wissen, wie weit die Entfernung von einem Fluss aus ist und so weiter.
Kaneda: In Part 4 gibt es eine Landkarte von Morioh, die ich mir sehr gerne anschaue. „Wenn man so weiterläuft, kommt man bei Tonios Restaurant vorbei…“, und so weiter.
Araki: Ich habe sie so gezeichnet, weil ich wollte, dass sie so gelesen werden, deshalb freut es mich, wenn mir sowas gesagt wird (lacht).
Kaneda: Ich möchte wirklich dort hingehen! Deshalb habe ich Sehnsucht nach einer Reise nach Sendai.
Araki: Naja, aber Morioh und Sendai sind verschieden (lacht). Obwohl Sendai eine alte Stadt ist, gab es einen Ort, welcher in den 70er- bis 80er-Jahren schleunig als aufstrebendes Wohngebiet erschlossen wurde! Das war für mich ein wenig unheimlich. Irgendwie gab es nichts als Fremde, und es reihten sich nur gleiche Häuser auf, sodass ich das Gefühl hatte, dass was auch immer passiert oder wer auch immer dort ist, mir nicht komisch vorkommen würde.
Kaneda: In neu gebauten Wohngebieten sind die Gebäude alle gleich und weil die Leute, die dort leben, nicht die sind, die ursprünglich dort lebten, kennt man unter anderem Niemanden. Die gesellschaftlichen Beziehungen sind sehr oberflächlich, weshalb man sich auf Begrüßungen beschränkt, und man weiß nicht, ob dort ein kaltblütiger Mörder lauert. Ich komme auch aus einer Provinzstadt, weshalb ich die Realität von solchen verstreut liegenden Häusern gespürt habe. Ich hatte das Gefühl, dass Häuser in dem Zwischenraum von Nachbarhäusern gebaut wurden, und man keine Ahnung hatte, was sich in ihrem Inneren befindet. Ich denke, dass in Manga im Allgemeinen viele Geschichten über Tōkyō und weniger über Provinzstädte erzählt werden. Es gibt jedoch auf jeden Fall eine Furcht zwischen den Fugen, wenn eine Provinzstadt urbanisiert wird und sich von der Stadt verändert, die sie vorher war. Ich denke, das haben Sie treffend dargestellt.
Araki: Ich weiß nicht, ob das im Bezug darauf eine Erweiterung davon ist, aber ich wohne jetzt in einem Wohnort von Tōkyō, und in letzter Zeit sorge ich mich darüber, dass alle Gebäude eine „Innenhof-isierung“ durchlaufen. Man baut Innenhöfe, oder besser, man baut keine Fenster in Bereichen, welche an Nachbarn angrenzen oder die nach außen gerichtet sind. Weiterhin baut man Innenhöfe, um dort das natürliche Licht zu sammeln, aber man hat das Gefühl, dass der Innenhof ein Raum ist, den man nur für sich selbst in Anspruch nimmt und es keine geborgte Landschaft gibt ...sowas ist doch ein bisschen unheimlich, nicht wahr?
Kaneda: Selbst, wenn dort eine Leiche vergraben läge, würde man es wahrscheinlich nicht wissen.
Araki: An solchen Orten spürt man den Horror ein wenig.
Saitō: Diese „moderner Horror“-mäßige Weltanschauung von „dem Serienmörder nebenan“ verändert sich de facto wieder komplett in Part 5, ist es nicht so?
Kaneda: Ich finde diesen Stil auch großartig, die Bühne immer wieder zu verändern.
Araki: Das ist fast wie eine neue Serialisierung, oder nicht? Früher schien die Atmosphäre zu herrschen, dass man Geschichten nicht zu lang machen durfte, und wenn sie lange weiterliefen, wurde man gefragt, ob man nicht langsam den Protagonisten austauschen möchte (lacht). Außerdem sagte mein Verlagslektor, den ich vorhin erwähnt habe, dass es bei Horror um das Leiden der Menschen geht. Mir wurde immer wieder gesagt, dass ich bei Horror nicht unheimliche, sondern traurige Geschichten zeichnen soll, aber das konnte ich nicht. Als ich mich daran erinnerte, versuchte ich Part 5 zu einer traurigen Geschichte zu machen. Ich wollte etwas darstellen wie die Trauer, in die Menschen hineingeboren werden.
Kaneda: Während der Tod von Kameraden in jedem Part einen Eindruck hinterlässt, ist der Tod von Abbacchio in Part 5 zwischen JoJo-Fans zu einem wirklichen Gesprächsthema geworden, ist es nicht so? Ein Polizist, der früher selbst im Dienst umgekommen ist, kommt hervor und sagt ihm: „Das hast du gut gemacht“[7]. Abbacchio äußert, dass er den Bus nehmen und zurückkehren müsste, aber als ihm gesagt wird, „dass hier die Endstation“ sei, versteht man, dass Abbacchio gestorben ist. Obwohl es ein sehr abrupter Tod ist, wird auch sein Lebensstil bis dahin illustriert, sodass die Darstellungsweise so scheint, als ob das etwas Erfreuliches für Abbacchio war, nicht wahr?
Araki: Ich denke, das konnte ich gut darstellen. Es geht nicht bloß darum, dass es Hoffnung gibt, sondern auch, dass der Wert von Abbacchios Existenz gezeigt wird, meine ich.
Kaneda: So ist es. Obwohl ich scherzhaft erwidert habe: „Bucciarati, warum hast du Abbacchio damals allein gelassen?“. Er hat selbst gesagt, es sei nicht gut, Abbacchio während dem Playback von Moody Blues allein zu lassen (lacht)[8]. Zu der Zeit wurden Abbacchio-Gedenkbücher in Form von Dōjinshi mit unglaublicher Geschwindigkeit herausgebracht.
Araki: Das wusste ich gar nicht (lacht). Auf jeden Fall wollte ich in Part 5 Menschen darstellen, die keinen Ort haben, an den sie gehören. Sozusagen haben sie keine andere Wahl, als weiterzugehen.
Kaneda: Sie sind eine Gruppe an Außenseitern, oder besser gesagt auf Japanisch: Yakuza. Aber es gibt auch Gruppen, von denen allgemein schlecht gedacht wird, wie zum Beispiel Motorrad-Gangs, die so sind, weil sie aus dem, was als normal gilt, ohne ihren Willen herausgedrängt wurden, oder nicht? Ich denke, dass die Trauer und Wut solcher Leute schrecklich geheim gehalten wird.
Araki: In Die sieben Samurai ist das zum Beispiel auch so, nicht wahr? Das ist der Königsweg von Shōnen-Manga.
Kaneda: Obwohl Bucciarati schon tot ist, kämpft er irgendwie gegen Secco und tut alles Mögliche (lacht)! Das war herzzerreißend, wirklich.
Araki: Vielen Dank. Es hat sich wohl gelohnt, das zu zeichnen.
Ich will sie aufspüren!
Saitō: In SBR kommen Pferde so oft vor, dass man sie fast als sekundäre Hauptfiguren bezeichnen könnte, aber reiten Sie selbst Pferde?
Araki: Nur in dem Ausmaß von Recherche. Ich mache das nicht besonders gerne. Tauchen zum Beispiel auch nicht. Was ich mag, ist, in den Bergen zu wandern und die Spuren von Tieren und sowas zu entdecken und zu verfolgen, wie in der Geschichte in Part 4, in der Jōtarō und Jōsuke Ratten jagen (Lass uns auf die Jagd gehen, Band 35)! Und wenn ich Bärenspuren sehe, werde ich fliehen und sowas (lacht). Das Jagen und das Erschießen interessieren mich nicht, aber das Verfolgen gefällt mir. Falls ich wiedergeboren werde, möchte ich ein Detektiv oder sowas werden. Obwohl ich nur Täter aufspüren möchte. Ich muss sie nicht unbedingt fangen (lacht).
Saitō: Ein sehr bescheidener Wunsch (lacht).
Kaneda: Sowas wie Jäger scheint auch zu passen.
Araki: Hmm, obwohl ich nicht unbedingt schießen will (lacht). Achso, aber ich sage gerne [Dinge wie]: „Gerade kommt der Wind aus dieser Richtung, und weil die Windgeschwindigkeit so-und-so viel Meter beträgt, ziele ich in diesen Bereich“. Und dann tue ich so, als hätte ich mein Ziel erschossen und bin zufrieden (lacht). Auch beim Angeln denke ich lieber darüber nach, wie ich Fische fangen kann, anstatt es tatsächlich zu tun.
Kaneda: Ich denke, das ist wirklich passend für die Persönlichkeit eines Mangaka (lacht).
Araki: Das Interessante an dem Pferdereiten ist auch, dass es darauf ankommt zu wissen, wie man reitet, nicht wahr? Es macht Spaß zu verstehen, wie Pferde so sind und dass sie sterben, wenn sie auf diese Art fallen und so was. Ich denke deshalb nicht, dass ich das Pferdereiten an sich so sehr mag.
Saitō: So gesagt ist es nicht so, dass Sie ursprünglich am Pferdereiten Interesse hatten.
Araki: Ich bin mehr daran interessiert, über mehrere Tage entlang einem Pfad wie dem Kumano Kodō zu wandern und Schreine zu besuchen, als am Pferdereiten. „Was bedeutet das aus religiöser Sicht, und was hat das für eine Auswirkung auf den Menschen?“, sowas denke ich mir. Wenn ich eine lange Zeit gelaufen bin, fangen unter anderem meine Füße an zu schmerzen, und es kommt dazu, dass ich mehrere Dinge wegwerfen will. Dann fange ich an zu verstehen, was notwendig ist. In meinem Fall brauchte ich wohl kein Handy oder sowas (lacht). Aber meinem iPod konnte ich bis zum Ende nicht entsagen. Wenn ich mich inmitten der einsamen Berge ausruhe, beruhigt Musik meine Seele.
Kaneda: Aber wenn man darüber nachdenkt, was danach passiert, sollte man sein Handy bis zum Ende behalten (lacht).
Araki: Ich habe es mitgenommen, weil mir von dem zuständigen Redakteur gesagt wurde, dass ich bitte ein Handy mitnehmen soll, weil dort Bären und sowas sind, aber ich konnte es überhaupt nicht benutzen, weil es keinen Empfang gab, und als ich die ansässigen Bewohner fragte, sagten sie, dass es dort keine Bären gäbe! Ich dachte mir, dass ich es überhaupt nicht brauche (lacht). Wenn meine Füße anfangen zu schmerzen, wird es schließlich dazu kommen, dass ich es zuallererst wegschmeißen will! Ich hatte auch Onigiri und sowas dabei, aber ich habe sie schnell gegessen, weil ich mein Gepäck erleichtern wollte (lacht). Ich mag diese Dinge, und das war wohl meine Motivation, SBR anzufangen. Pferde sind dabei ein Mittel zum Zweck.
Saitō: Tatsächlich waren am Ende des 19. Jahrhunderts in den USA Ausdauerrennen jeder Art in der Mode, ähnlich wie dem Tevis Cup heute, und ich habe mich gefragt, ob Sie auch sowas machen wollten.
Araki: Ein wenig. Obwohl ich dem Pferdereiten nicht viel abgewinnen kann, mag ich es, Menschen zu Pferd in künstlerischer Weise darzustellen, und das wollte ich tun. Wenn ich sehe, wie Clint Eastwood allein in der Wüste wandert und währenddessen einen Galgenbaum überblickt, kommen mir die Tränen. Ich kann nicht aufhören über so Dinge wie: „Aus welchem Grund kommt dieser Kerl hierher?“ und „Was ist ihm in der Vergangenheit wiederfahren?“ nachzudenken. Weil es dem ähnlich ist, gehen mir auch sowas wie die Bilder von Babel II, der, seine Schuluniform tragend, in der Wüste steht, zu Herzen!
Kaneda: Sie mögen die Wüste mehr als Pferde, nicht (lacht)?
Araki: Wahrscheinlich ist das so (lacht).
Kaneda: Wenn wir von der Wüste sprechen: Mir gefällt die Szene am Anfang von SBR, in welcher Gyro nur die Dinge auswählt, die er braucht, und den Rest danach wegwirft, aber am Ende das Stofftier mitnimmt[9] (lacht). Was Gyros Stofftier für ihn ist, scheint Ihr iPod für sie zu sein, ist es nicht so?
Araki: Es kann alles sein, aber ein Mensch braucht irgend so etwas!
JoJo-Posen als Kunstform
Saitō: Ich habe vorhin erzählt, dass die Posen sowohl klassisch als auch neuartig und fabelhaft sind, aber außerhalb des Mangas gibt es ein neues, abgeleitetes Phänomen; den „JoJo-Posen-Boom“! In dieser Sonderausgabe hat Herr Kajipon, der Begründer der „JoJo-Poser“, ein Manuskript geschrieben.
Kaneda: JoJo-Posen sind schließlich eine Besonderheit von JoJo, oder besser gesagt, man erkennt ein Bild von Herrn Araki allein daran, wie ein Charakter steht, und selbst wenn nur Figuren in anderen Stilen auf diese Art stehen, besitzen sie einen individuellen Charakter, ist es nicht so?
Saitō: Natürlich gibt es die „JoJo-Poser“ an sich schon lange, aber ich frage mich, was es mit diesem jüngsten Boom auf sich hat.
Kaneda: Ich habe das Gefühl, dass das Internet einen großen Einfluss darauf hat. Ich habe mich gefragt, was Sie darüber denken, obwohl Sie den Dämon-Ausbilder[10] auf die Party[11] eingeladen haben, nicht wahr?
Araki: Im Vergleich ging es weniger um mein eigenes Werk, und auf den Fotos zu der Zeit, als die „JoJo-Poser“-Veranstaltung vor der Burg Ōsaka abgehalten wurde, gibt es dutzende Leute, die in einer Pose verharren und springen. Das sah wirklich cool aus, oder besser, es war ein eigenartiges Gefühl, nicht wahr? Es vollendete sich als ein visuelles Kunstwerk, oder besser gesagt, fühlte es sich so an, dass sich inmitten der Realität plötzlich eine andere Welt zeigte, und davon war ich geschockt.
Kaneda: Es fühlt sich an wie eine von JoJo abgeleitete, neue Kunstform, ist es nicht so?
Araki: Es hat etwas Religiöses und etwas Komödiantischen an sich, und während einige Dinge nicht zusammenpassen, sticht es doch als eine einzige Wirkung hervor, und man bekommt das Gefühl, als ob man zeitgenössische Kunst betrachtet.
Kaneda: Ich denke, dass das Platzieren von unerwarteten Dingen an unerwarteten Orten die Grundlage von Kunst ist, und die „JoJo-Poser“ machen genau das, ist es nicht so?
Araki: Ja, stimmt. Bei dieser Art von Posen gibt es sowohl Realität als auch Fantasie, oder nicht? Ich war in der Stimmung, [die Posen] in eine Fantasiewelt zu versetzen, die zwar real, aber ein bisschen anders ist, und das habe ich gemacht! Wenn ich ein Bild zeichne, ist es irgendwie anders und ungewöhnlich. Das gilt auch für Farben: Den Himmel malt man normalerweise blau, aber ich versuche ihn pink zu malen, oder sowas. Es fühlt sich so an, wie das, was Gauguin gemacht hat. Ich habe mit den Posen angefangen, weil ich Fantasie in die Realität hineinbringen wollte, also sollten sie ja praktisch nicht machbar sein (lacht). Aber sie haben es geschafft...was mich zunächst überrascht hat (lacht).
Kaneda: Ich verpasse meine täglichen 5 Minuten an JoJo-Posen-Training nie, aber es ist schwierig.
Araki: Ich frage mich, ob deshalb diese Leute und Shoko-tan eine neue Art Mensch sind, die Stands und Fantasie in die Realität hineinbringen.
Saitō: Weil es in Bezug auf das menschliche Skelett unmöglich ist, so zu stehen.
Araki: Leute, die sagen: „Mein Mann ist Jōtarō“, die „JoJo-Poser“ und so weiter; wenn man so weit geht, ist das schon eine Kunst! Das kann man wohl das Gegenteil von realitätsnahem CG nennen. Sie bringen die Fantasie mit der Realität in Einklang, nicht wahr?
Kaneda: Wenn ich sehe, wie Leute diese Posen einnehmen, verspüre ich ein seltsames Gefühl, obwohl es echt sein sollte.
Araki: Ich denke, das ist großartig. Außerdem vergesse ich schnell, was ich selbst gemacht habe (lacht)! Deshalb frage ich mich: „Ist das eine Pose, die ich gezeichnet habe?“ und beobachte sie mit dem Gefühl, als sei es ihre Kunst (lacht).
Verbreitung von JoJo im Internet
Araki: Wenn ich mir die Geschichten bis jetzt anhöre, wird zweifellos die Veränderung der Leser in den letzten 10 Jahren spürbar, die Sie zu Anfang erwähnt haben.
Saitō: So ist es. Es ist wahrscheinlich neu, dass Araki-Manga, die herkömmlich wenig von Manga-Fans in den Otaku-Kontext akzeptiert werden konnten, jetzt auch von denselben im Otaku-Kontext akzeptiert werden. Einmal sagten sie - und Sie erwähnten das auch während dieses Gesprächs – dass sie ursprünglich keine animierten Zeichnungen mögen, oder?
Araki: Ich bin nicht gut mit bewegten Linien. Ich brauche viel Zeit, bis ich in die Welt des bewegten Bildes einsteige. Besonders wird mir irgendwie bei Micky Maus unwohl, wenn er zum Beispiel seine Arme mit einem „Schwupp“ verdreht, und ich kann mich nicht in die Story reinversetzen.
Saitō: Außerdem mögen Sie keine Figuren wie Moe-Charaktere. Deshalb waren Sie damals etwas außerhalb des Otaku-Bereichs, aber gibt es heutzutage nicht eine Fülle an Schlagwörtern, wie jene, die Frau Kaneda seit vorhin dauernd erwähnt hat? Ich denke, dass sie als Vorlagen für Kommunikation im Umlauf sind, geradezu wie die berühmten Zitate in Gundam – oder auch irgendwie die von Fist of the North Star. Ich denke, der Einfluss des Internets auf die Veränderung der Rezeption von Herrn Araki war in den letzten 10 Jahren erheblich, wie es schließlich auch bei den „JoJo-Posern“ der Fall ist. Vermutlich waren Araki-Fans einzeln unglaublich leidenschaftlich, aber sie waren überall verstreut und schwierig zusammen zu bringen, nicht? Ich denke, dass es so scheint, dass das Internet für sie einen Anstoß gegeben hat, sich gegenseitig zu entdecken.
Kaneda: Durch die Internetkultur hat sich die Anzahl der Menschen erhöht, die JoJo zwar noch nie gelesen haben, aber die berühmten Szenen aus JoJo kennen, nicht wahr?
Saitō: Sie werden in der Internetkultur als Parodie verwendet und verbreitet. Obendrein gibt es wirklich viele Schlagwörter, die leicht zu benutzen sind (lacht)!
Araki: Das ist überhaupt nicht von mir beabsichtigt.
Kaneda: Das am Anfang angesprochene „Ich sage es euch, genau wie es ist“ von Polnareff wird zum Beispiel unglaublich häufig benutzt. Wenn es von dieser Szene beispielsweise eine Lithographie oder ein T-Shirt gäbe, würde ich es persönlich haben wollen (lacht).
Araki: Solche Dinge können interessant sein.
Saitō: Grundlegend wird nicht viel Merchandise und sowas für JoJo entwickelt.
Kaneda: Persönlich möchte ich, dass mehr herauskommt...sowas wie den Wecker von Sheer Heart Attack oder die kleinen Fläschchen zum Sammeln von Fingernägeln von Kira Yoshikage (lacht).
Araki: Es ist nicht bloß ein kleines Fläschchen, es ist bereits ungefähr zur Hälfte mit Nägeln gefüllt (lacht).
Kaneda: Noch dazu sind sie ordentlich nach Jahren unterteilt. Die aus dem Jahr 1983 ist eine limitierte Auflage und enthält sowas wie einen besonders langen Nagel (lacht).
Saitō: Wer würde sowas wollen? (lacht).
Araki: Der Ursprung von der Geschichte ist, dass ich meine Stiftspitzen, wenn ich sie wegwerfe, in einem kleinen Fläschchen ansammle und am Tag der Andacht für verbrauchte und zerbrochene Nähnadeln am 8.2 in Tofu einsteche und alle auf einmal wegwerfe. Von daher hatte ich den Einfall, dass es interessant wäre, wenn man Fingernägel sammeln würde.
Kaneda: So war das also?! Ich fand diese Nebenhandlung war eine hervorragende Leistung. Dinge wie der Wahnsinn von gewöhnlichen Leuten kommen deutlich hervor.
Araki: Außerdem denke ich selber, dass es ein wenig verschwenderisch ist, die Nägel wegzuwerfen, wenn man sie schneidet (lacht)!
Kaneda: Oh oh, wir haben Kira Yoshikage hier (lacht). Aber gerade weil Sie diese Art Mensch sind, wurde die merkwürdige Seite, die gewöhnliche Menschen, als auch jedermann wahrscheinlich hat, wunderbar visualisiert. Mir gefällt auch die Art, wie zum Beispiel Jōsuke überrascht war, oder die ruhige Art von Jōtarō, als sie das Fläschchen mit Nägeln gesehen haben.
Saitō: Schließlich haben Sie sich vielleicht seit etwa Part 4 eine Affinität zu der Otaku-Mentalität aufgebaut. Um zum Gesprächsthema zurückzukommen: Weil Otaku ein gemeinsames Wissen brauchen, wenn sie irgendwie mit anderen Leuten kommunizieren, sind zu dieser Zeit die Schlagwörter aus „JoJo“ ein außergewöhnlich starkes Werkzeug dafür. Als ich Sie vorhin danach fragte, war ich überrascht, aber einer ihrer Wurzeln liegt in Kajiwara Ikki, nicht wahr?
Araki: Das stimmt. Unter anderem hat die Theatralik von Herrn Kajiwara Ikki einen großen Einfluss. Das Gefühl, etwas mit Bestimmtheit zu sagen.
Kaneda: Wenn sie eins von Herrn Kajiwaras Werken aussuchen müssten, welches wäre es?
Araki: Wenn ich wählen müsste, wäre es doch Jūdō Icchokusen. Obwohl sich mittendrin der Zeichenstil ändert, mag ich den Teil davor. Er stellt ideologische Thesen wie „junger Mann, werde ein Zwerg“ auf. Mir wurde in der Schule „Jungs, seid ehrgeizig“[12] beigebracht, deshalb dachte ich: „Was soll das denn?“. Aber ich dachte mir, dass die Theorie erstaunlich ist, dass Menschen sich von dem Zeitpunkt zum ersten Mal entwickeln, an dem sie denken, dass sie klein und mickrig sind. Es kommen eine Fülle an tödlichen Techniken vor, und sie werden alle in der Theorie erklärt, fast wie Stands. Weil ich denke, dass ich im Stil von Kajiwara Ikki mannhafte Manga zeichne, verstehe ich nicht ganz, warum das von Otakus akzeptiert wird. Weil ich in erster Linie nicht ganz verstehe, was ein Otaku ist, weshalb ich damit falsch liegen kann, aber sowas wie „Moe“ und Mädchen, die in Echt nicht existieren können, sind unmöglich für mich! Ich will mehr Realismus. Jemanden wie Yamagishi Yukako, die schnell ihre Fassung verliert.
Kaneda: Ich mag Yukako, also hat es mich gefreut, dass sie später ihr Glück gefunden hat (lacht). Sie stellen grundlegend starke Frauen dar, wie zum Beispiel Lisa Lisa, ist es nicht so?
Araki: Weil sie zu reiner Zierde werden, wenn sie nicht selbst in der Lage sind zu kämpfen.
Kaneda: Weibliche Figuren in Shōnen-Manga haben ihre schwierigen Seiten.
Araki: Es ist schwierig. Ich denke, wenn Frauen von sich selbst aus kämpfen, scheint das, koste es, was es wolle, als unrealistisch gesehen zu werden.
Kaneda: Inmitten dessen haben Sie unter anderem in Part 2 Lisa Lisa herausgebracht, nicht wahr? Ist sie nicht jetzt noch ein beliebter Charakter unter Männern?
Araki: Das stimmt wohl. Allerdings gab es eine Vielzahl solcher Charaktere in amerikanischen Filmen, angefangen mit zum Beispiel Terminator, daher frage ich mich, ob „Moe-Charaktere“ eine besondere, japanische Kultur sind.
Kaneda: Naja, ab dem Jahr 1990 rum wurde durch den Einfluss von Sailor Moon und so weiter der „Kampf-Bishōjo“ eine Alltäglichkeit auf dem Otaku-Markt. Aber wie zu erwarten ist Ihre Jolyne kein „Moe-Charakter“. Irgendwie ist Ermes schon sowas wie eine älterer Bruder-Figur (lacht).
Araki: Schließlich müssen sie Schläge wegstecken können!
Kaneda: Wenn die Charaktere aus JoJo mit einem Schlag besiegt würden, wäre das übel, nicht wahr?
JoJo auf die Yaoi-Art ー Die Wahrheit hinter Dio!?
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Der Nervenkitzel einer dramatischen Wendung
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Das Erschaffen einer neuen Welt
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[Übersetzt von Aiku (JoJo's Bizarre Encyclopedia)]
- ↑ Mangaka
- ↑ Psychiater für Jugendliche und junge Erwachsene
- ↑ Soziologin mit Spezialisierung auf den Bereich BL
- ↑ Aufgenommen am 27. Oktober 2006 im Quanjude in Shinjuku
- ↑ Wahrsage-Programm, das anhand des Namens angibt, welche Gedanken prominent im Kopf verankert sind
- ↑ Fiktiver Bücherverlag in Sakigake!!Otokojuku
Gallerie
Referenzen
- ↑ Japanische Wikipediaseite für Junko Kaneda
- ↑ Japanische Wikipediaseite für Eureka
- ↑ Phantom Blood Band 4 Kapitel 36: The Three from a Faraway Land, Part 1
- ↑ Stardust Crusaders Band 16 Kapitel 136: DIO's World, Part 3
- ↑ Phantom Blood Band 3 Kapitel 19: Jack the Ripper and Zeppeli the Strange, Part 2
- ↑ Diamond is Unbreakable Band 11 Kapitel 98: Sheer Heart Attack, Part 10
- ↑ Vento Aureo Band 13 Kapitel 111: Beneath a Sky on the Verge of Falling
- ↑ Vento Aureo Band 3 Kapitel 21: Moody Blues Strikes Back, Part 1
- ↑ Steel Ball Run Band 1 Kapitel 4: September 25, 1890 - 3 Hours to Start
- ↑ Bezeichnet den Freund Kajipons, welcher das "JoJo-Klassenzimmer" mit ihm leitet. Führt die Posen vor.
- ↑ 25. Jubiläumsparty von Araki's Debut mit "Poker Under Arms"
- ↑ Zitat von William Smith Clark